Ich glaube nicht an Schicksal, aber auch der Zufall muss zwangsläufig den Prinzipien der Ursache und Wirkung unterliegen. Mein Verständnis des Lebens ist eine Art Mix aus den oben genannten Möglichkeiten. Ich glaube daran, dass jede/r gemäß Sartre "dazu verdammt" ist "frei zu sein", doch wirken Ursache und Wirkung in jeder freien Entscheidung, die wir treffen.
Um sich das etwas besser vorstellen zu können, nehmen wir an, wir stünden an einer Abzweigung, von der aus unendlich viele Wege (Möglichkeiten) abgehen. Wir entscheiden uns dazu einen bestimmten Weg zu nehmen, und gleichzeitig lehnen wir alle anderen Wege ab. Die Gründe für diese eine Entscheidung liegen womöglich in unserer Erfahrung und/oder unserem Wesen (das wiederum nicht ohne die Erfahrung sein kann!). Es ist oft schwer bis unmöglich, aufzudröseln, wie und warum es zu dieser einen Entscheidung kam, doch gewiss war irgendwo ein Grund dafür. Dieser Grund war die Ursache, die uns auf diesen einen Weg brachte. Und so wird diese Entscheidung die Ursache dafür sein, was uns auf dem selbst gewählten Weg widerfährt. Jeder Weg hätte unterschiedliche, manch ähnliche, manch sehr gegenteilige Konsequenzen wie der Eine, den ich gewählt habe. Doch dass es Konsequenzen gäbe, ist unvermeidbar.
Am heutigen Tag beschäftigt mich sehr viel. Dieser Tag verändert nicht nur meinen persönlichen Weg, sondern auch die Wege vieler Menschen weltweit - und zwar nicht bloß aus uns selbst heraus, sondern durch eine Art fremd gesteuerte Konsequenz. Wenn Russland Ukraine den Krieg erklärt, bedeutet es auch für mich, tausende Kilometer weit weg von Kiew, Konsequenzen. Konsequenzen, die ich vermieden hätte, wenn ich die Entscheidung über Krieg oder nicht Krieg hätte fällen dürfen. Dieses Getippe hier ist meine Entscheidung, jedoch zugleich die Konsequenz, Wirkung, Reaktion auf eine Entscheidung für Krieg, welchen ich absolut nicht will und nicht unterstütze.
Ich bin eine gebürtige Russin, die seit der Amtseinführung Putins sehr kritisch Putin gegenüber stand und daher wiederholt im Streit mit meinen Pro-Putin denkenden Eltern war. Ich behaupte mal, eine sehr gute Menschenkenntnis zu haben und empfand ihn von Anfang an als unberechenbar und manipulativ. In Bezug auf Putin hatte ich damit wohl auch recht.
Aus meiner Sicht ist Wladimir Putin genauso ein größenwahnsinniger Psychopath wie es Hitler, Stalin und viele anderen Männer (!) an der Macht waren und noch immer sind. Und ich frage mich, hätte ein anderer Entscheidungsweg diese geschichtlichen moralischen Totalversagen nicht vielleicht verhindern können? Es ist nun mal so gekommen und mir ist klar, dass ein 'Was wäre wenn' Szenario nichts gut machen kann oder wird. Die Scheiße war, ist und wird am dampfen sein, solange Psychopathen ohne einen Hauch von Empathie an die Macht kommen.
Aber als Gedankenexperiment frage ich mich dennoch, was wäre gewesen, wenn Hitler nach seinen unzähligen Bewerbungen an der Kunstakademie doch genommen worden wäre? Was wäre aus ihm geworden? Hätte ihn die Kunst vielleicht so erfüllt, dass sie ihn in seinem Kämmerchen hätte in Ruhe malen lassen, sodass Nationen vor seinem Frust und seinem Narzissmus verschont geblieben wären? Und, wäre Nationalsozialismus dann gar nicht erst entstanden oder wäre einfach ein paar Jahre später ein anderer bedepperter Narzisst mit Propaganda und Parolen an die Macht gekommen und wir würden jetzt den Namen 'Eberhard' oder 'Thomas' nicht mehr in den Mund nehmen wollen? Hätte der nun stattfindende Krieg gegen die Ukraine verhindert werden können oder hätte ein anderer psychisch gestörter Narzisst Putins Position eingenommen, weil das russische Volk danach lechzt, einen 'starken Anführer' zu haben?
Womöglich muss man zwischen Einzelentscheidungen und kollektiven Entwicklungen unterscheiden. Es mag durchaus sein, dass Hitler kein Nazi Deutschland geformt hätte, sondern ein Hundezüchter geworden wäre, der wunderschöne Hundebilder gemalt und davon sein Leben finanziert hätte. Wäre damit das Szenario Nationalsozialismus komplett ausgeblieben? Ich befürchte, dass es nicht so einfach ist. Hitler hat nicht aus dem Nichts angefangen, sondern eben die Stimmung der Menschen zu eigenen Zwecken der Realisierung größenwahnsinniger Fantasien benutzt, darauf aufgebaut. Nichts kommt aus dem Nichts. Und dieser Gedanke ist tatsächlich noch erschreckender als daran zu glauben, dass ohne Hitler alles anders verlaufen wäre.
Faktum ist - es gibt Narzissten, Psychopathen und Machiavellisten auf dieser Welt. Menschen, die keinerlei moralische Instanz besitzen und daher lügen, betrügen und morden, ganz ohne das lästige schlechte Gewissen, das ein 'Normaler Mensch' bereits bekommt, wenn er/sie nicht zu der Gartenparty der Freunde geht, um lieber nen gemütlichen Netflix Abend zu machen, unter dem Vorwand des 'Ich fühl mich heute nicht so gut'. Normale Menschen haben Empathie. Ohne Empathie wären wir Menschen nicht überlebensfähig. Wir würden uns alle abschlachten, weil es uns allen absolut egal wäre, was mit dem Rest der Menschheit geschieht. Und zack, schon wäre die Menschheit ausgestorben, bevor sie sich hätte überhaupt entwickeln können. Empathie scheint der einzige Grund zu sein, warum wir es überhaupt aushalten mit anderen Menschen um uns herum leben zu können. Nur weil wir uns in die Situation unseres hart arbeitenden Nachbars/in versetzen können, besetzen wir nicht einfach sein/ihr Grundstück, nachdem wir ihn/sie beiseite geräumt haben. Nur weil wir am eigenen Körper und Geist nachvollziehen können, dass lieben und geliebt werden etwas Essentielles ist, das das Dasein wertvoll macht, ermorden wir nicht jeden/jede Person, die uns blöd anmacht oder sich von uns trennt.
Nun ja, Psychopathen, Narzissten und Machiavellisten ticken da anders. Sie lieben ausschließlich sich selbst, ausnahmslos! Und weil sie sich so unglaublich lieben, können sie sehr selbstbewusst wirken, was den anderen Menschen oft imponiert. Wir wissen, dass es solche Menschen gibt. Wir wissen, dass diese Menschen keine Skrupel haben über Leichen zu gehen. Wir wissen, dass diese Menschen lügen, bis sich die Balken biegen und dabei nicht mal einen Funken Reue spüren. Und trotzdem lassen wir solche rücksichtslosen Unmenschen an die Macht, wo sie über die 'durch das Gewissen Geschwächten' regieren und diesen jeden Scheiß als 'Wahrheit' verkaufen, um am Ende ausschließlich sich selbst zu bereichern. Denn reden können diese Soziopathen meist sehr gut, bzw. die schlauen unter ihnen (Trump gehört eher zu der dummen Sorte, weshalb ebenfalls die Dummen auf seine, durch geringe Eloquenz ausgezeichneten, Reden aufsteigen). Putin gehört leider zu der schlauen Sorte der psychisch gestörten Machtinhaber. Er weiß genau, was und wann er es sagt, und bei wem er was auslösen möchte. Er ist ein Stratege, der seine Macht in seinem Selbstverständnis manifestiert hat. Doch das Problem dieser Art von Menschen ist, dass ihnen schnell langweilig wird. Sie wollen mehr, je mehr sie merken, dass der Rest ihnen aus der Hand frisst. Dann kommt noch das Alter dazu. Je älter wir werden, desto mehr sind wir um Sicherung des bisher Erlangten bemüht. In Putins Fall bedeutet es zwangsläufig, dass er mehr 'Aggressoren' sieht, die ihm scheinbar etwas wegnehmen wollen. Umso mehr ist er gewillt, härtere Methoden anzusetzen, um das, was er hat, wie er sagt 'zu verteidigen'.
Fazit: Wir, die zur Empathie fähigen Menschen, haben die Menschheit überhaupt so lange existieren lassen. Doch wir sind es auch, die nach 'starker Führung' geschrien haben. Wenn wir zulassen, dass Narzissten, Machiavellisten und Psychopathen an die Macht kommen, brauchen wir uns am Ende nicht wundern, dass schon wieder ein Krieg vor der Tür steht! So traurig das auch klingt! Wir müssen uns klar werden, dass nicht 'starkes Auftreten' ala Putin und Hitler, sondern ein 'starkes Mitgefühl' die Welt vor Kriegen und Katastrophen bewahrt. Putin, Bolsanaro und anderen solchen sind du, ich und die Welt scheißegal!