Kritik am Schulsystem - Teil 1

Bevor ich mich dem effizienten Erlernen von Fremdsprachen widme, möchte ich zunächst auf die Defizite des vorhandenen Schulsystems eingehen. Wir können nichts verändern, wenn wir nicht wissen, was wir verändern müssen.

Das heutige Schulsystem kenne ich aus drei verschiedenen Perspektiven, als Schülerin, als Lehrerin und als Mutter einer Grundschulschülerin. So war meine Mutter bei meinen Eltersprechtagen (und es hieß nie was Gutes für mich, obwohl ich eine der Besten in der Klasse war, was Noten anging!), als Lehrerin führte ich selbst Elterngespräche, und jetzt als Mutter sitze ich auf der anderen Seite des Tisches und rede über 'Stärken' und 'Schwächen' meiner Tochter.

Und da sind wir schon beim ersten, aus meiner Sicht, nicht kindgerechtem Lernen.

Die Kinder müssen selbst entdecken, was ihnen gut liegt und was nicht, und dann ist es auch vollkommen okay, dass es sich nicht in allen Bereichen wohlfühlt. Wir wollen doch schließlich keine Narzissten großziehen, für die Schwäche eine Verminderung des eigenen Ichs bedeuten. Wir Erwachsene können doch auch nicht alles.

Also ich z.B. bin einfach ein Hornochse wenn es um Instrumente geht. Meine Finger sind zu kurz für die Gitarrensaiten und ich verliere unglaublich schnell die Lust daran. Ich habe als Kind 5 Jahre Klavier gespielt und war froh als ich es nicht mehr musste. Ich war nämlich bloß dort, weil meine Mutter fand, dass es ja toll wäre, wenn das eigene Kind Klavier spielen könnte. Damit steigt ja vielleicht der soziale Status. Natürlich wollte meine Mutter mir damit etwas ermöglichen, das bezweifle ich nicht. Aber ich frage mich, warum sie mich nicht lieber in Malerei gefördert hat, da es doch offensichtlich war, dass ich darin stark war.

Mein Kunstlehrer an der Realschule dagegen erkannte meine künstlerische Veranlagung und ließ mich in einem separaten Raum nur für mich das malen, was ich wollte, während die anderen aus der Klasse im Nebenraum verschiedene Techniken ausprobierten, die ich bereits kannte. Das gab mir einen ordentlich Schub an Selbstbewusstsein und ließ mich das Erlebnis Schule viel positiver in Erinnerung bleiben als es manchmal tatsächlich war.

Warum soll ich mich also jahrelang Dingen widmen, an denen ich so gar kein Interesse habe, während diejenigen, die gefördert werden sollten, verkümmern.

Das Schulsystem ist so ausgelegt, dass alle in der Klasse in der selben Zeit das Gleiche aus unterschiedlichen Bereichen wissen und umsetzen müssen. Das ist aber sowas von unrealistisch, dass alle gleich gut in allen Fächern sind, weil sie eben total unterschiedlich veranlagt sind.

Wenn aber jemand in Mathe nicht so gut mitkommt wie der Rest, heißt es sofort, es wäre eine 'Schwäche' dieser Person, ungeachtet dessen, dass der/die Lehrer/in das vielleicht einfach Scheiße oder gar nicht (in so vielen Klassen gar nicht so selten!) erklärt oder vielleicht private Probleme davon abhalten, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Und seien wir mal ehrlich, Kinder sind viel sensibler als wir Erwachsene, was das Erkennen und das Umgehen mit Konflikten angeht! Es gibt noch zig andere Gründe, warum diese/r Schüler/in vielleicht 'nur eine 4' in Mathe hat. Aber diese Gründe werden meist mit dem Lehrsatz "dann müssen Sie einfach viel mehr üben" weggewischt. So so, und all die anderen Probleme verschwinden dann also auch?

"Üben, üben, üben" kenne ich nur zu gut aus meiner Schulzeit in Russland, als kleiner Oktjabrjonok (октябренок) mit dem roten Leninstern an der Uniform. "Учить, Учить, Учить!" war das sowjetische Pendant ("Lernen, lernen, lernen"), das jeden Tag aufs Neue eingetrichtert wurde.

Und in diesem Konzept steckte ich bis zum Abi, bis ich selbstbewusst und alt genug war, mir nicht vorschreiben zu lassen, was ich gut können muss und was nicht.

Aber den Leistungsdruck, der viele Jahre auf meinem Kinderrücken lag, den kann ich auch jetzt als Erwachsene oft nicht ausblenden und erliege ihm manchmal, ohne es selbst zu wollen. Der Leistungsdruck keine Schwächen zu haben hat mich zu einer Perfektionistin gemacht, die selten mit der eigenen Leistung zufrieden ist, was natürlich auch oft in Selbstzweifeln mündet. Will ich das für mein Kind - definitiv nicht!

Kategorie